„Die Leute schauen einen an, als wäre man bekloppt“
Jeden Abend ist seine vertraute Stimme auf SWR 1 zu hören, wenn er die Sendung „Guten Abend Baden-Württemberg“ moderiert. Er tritt weiter bei der Musikwerkstatt Würth auf und fährt Bestzeiten auf dem Nürburgring. So als wäre nichts geschehen. Und doch hat sich das Leben von Radio-Star Matthias Holtmann (63) verändert, seitdem er an Parkinson leidet.
Die Schock-Diagnose bekam Holtmann 2006. Er berichtet: „Nach Computertomographie, Kernspin und nuklearmedizinischen Untersuchungen bei meinem Stuttgarter Neurologen Dr. Klaus Schreiber stand‘s fest: Ich bin ein Parkinson-Patient.“
Holtmann weiter: „Ich merkte sehr bald, dass Parkinson im Bewusstsein und in der Wahrnehmung durch die Gesellschaft negativ besetzt ist. Die Krankheit betrifft das Stammhirn. Das Denken, das Gedächtnis sind nicht betroffen. Nie! Trotzdem schauen einen die Leute an, als wäre man bekloppt“.
Doch Holtmann ist keiner, der mit seinem Schicksal hadert: Er besorgte sich erst einmal einen Behindertenausweis und kaufte sich ein neues Auto, einen Dodge Challenger SRT/8. „Mit dem Ausweis kann ich überall parken. An jedem verkaufsoffenen Adventssonntag, auf jedem Behindertenparkplatz in jeder Stadt in Deutschland. Zu irgendwas muss die Scheiß-Krankheit auch gut sein.“
Sein Credo: „Es bringt nichts, sich in der Bude zu verstecken und sich schon morgens eine Sülze aus Selbstmitleid aufzukochen.“
Aber nicht immer schafft er es, so cool zu bleiben. Denn die Krankheit nimmt den Körper des Patienten doch zunehmend in Beschlag. Holtmann schildert‘s in seinem Buch „Porsche, Pop und Parkinson“ (ab Montag im Handel) so: „Morbus Parkinson hat bei mir dazu geführt, dass die Muskeln zur Verhärtung neigen. Meine Haltung hat sich dadurch verändert und meine Mimik ist starr geworden.“ Zwar habe er manchmal Krämpfe in den Füßen, dafür aber keine zittrigen Hände. Der Radio-Star: „Es braucht niemand Angst zu haben, dass ich ihm Schüttelreime vortrage.“
Auch der Alltag ist schwieriger geworden. Knöpfe von Oberhemden bekommt er nur noch schwer zu. Münzgeld im Portemonnaie kann er schwer greifen, Geldscheine nicht einsortieren, Papier nicht falten. Und dann kommen noch diese Nebenwirkungen der Medikamente. Holtmann: „Irgendwann habe ich plötzlich dunkelrot gepinkelt. Ich dachte nur: Na prima, jetzt habe ich nicht nur Parkinson, sondern auch noch Blasenkrebs oder einen Nierentumor.“ Es waren zum Glück nur die Tabletten, die den Urin verfärbten.
Holtmann weiter ganz offen: „Bei mir ist auch eine deutliche Veränderung der Libido spürbar. Ich habe noch mehr Lust auf Sex als vorher: Es gibt, finde ich, schlimmere Symptome.“
QUELLEN:
Fotos: Michael Hahn Bild 1-3 | SWR Bild 4
Text : ALEXANDRA zu CASTELL-RÜDENHAUSEN u. PHILIPP-MARC SCHMID für BILD http://www.bild.de/regional/stuttgart/matthias-holtmann/spricht-ueber-seinen-alltag-mit-parkinson-35465486.bild.html