Es beginnt ruhig, sehr ruhig, die akustische Gitarre spielt ein langsam, scheinbar endlos kreisendes Motiv. Jeff Tweedy singt mit kratziger Stimme. „One Sunday Morning“ heißt der Song, es ist der letzte auf Wilcos aktuellem Album „The Whole Love“ – und der erste ihres Konzerts am Montagabend im Stuttgarter Theaterhaus. Ein Song voll ruhiger Beharrlichkeit, eine Tür hinein in einen Abend der musikalischen Brüche, Überraschungen, Glanzstücke.
„One Sunday Morning“ ist ein ausgedehntes Stück mit seiner minimalistischen Melodie. Sie kehrt wieder und wieder, wird vor den 1200 Zuhörern im großen Saal T1 im Theaterhaus zu einer Initiation in den Klangkosmos der Band aus Chicago in den kommenden zwei Stunden entfaltet. Nach und nach steigen die Instrumente mit ein, setzt das Piano diskrete Akzente, beginnt der Besen des Schlagzeugs zu kreisen, die E-Gitarre quecksilbrig zu tanzen, der Synthesizer ein silbriges Rieseln in die Melodie zu streuen. Aufgefächerte weiße Strahler gleiten über die Bühne – plötzlich endet die Träumerei: Mit einem Schlag versetzt die Band ihr Publikum in die musikalische Gegenwart, in eine ganz andere Welt aus harten, komplex aufgebauten Rhythmen, kreischenden Gitarren, elektronischen Klangerfindungen.
Dennoch bieten die 25 Songs einen Überblick über nahezu alle Wilco-Alben – das 1999er-Album „Summertheeth“ ist stark vertreten, „A Ghost Is Born“ von 2004, „Sky Blue Sky“ von 2007, aber auch „Mermaid Avenue“, Wilcos Zusammenarbeit mit Billy Bragg. Nach „California Stars“ von diesem Album fährt kurz das Saallicht hoch, Jeff Tweedy blickt ins Publikum: „Lovely town“, sagt der Amerikaner freundlich, knapp, lakonisch. „Lots of stairs. I like stairs“ – und damit, scherzt er, seien seine Deutschkenntnisse auch schon erschöpft.
Mit „Monday“ und „Outtaside“ vom Album „Being There“ und „HooDoo Voodoo“ von „Mermaid Avenue“ steigern sich die Klangtüftler und Country-Rocker in ein frenetisches Finale. Und ja: Wilcos Gitarren können ach so schmutzig klingen. Auf und ab ging es an diesem Abend, leise Töne, laute Töne – zuletzt aber keine Besinnlichkeit, sondern kantige Rockmusik, ein tanzender Percussion-Spieler, wild-virtuoses Gitarrengefrickel. Ein musikalisches Feuerwerk.